zu der Fragen

Zufall und freier Wille




Ein ganz gewöhnlich Text. Eine zufällige Anordnung von Zeichen. Die Zahl der Zeichen ist begrenzt und sie treten mit unterschiedlichen Häufigkeiten auf. Die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Buchstaben ist entsprechend unterschiedlich. Das "e" taucht viel häufiger auf als das "y". Doch ein statistisch arbeitender Mensch sollte noch mehr Erkenntnisse aus dem Text ziehen können. So treten die Buchstaben im Allgemeinen nicht beliebig auf, sondern in bestimmten Gruppen. Man könnte solche Gruppen im Folgenden als "Wörter" bezeichnen. Und auch die Anordung dieser Wörter folgt wieder bestimmten Regelmäßigkeiten. Aus einem hinreichend langen Text könnten so alle Wörter und alle grammatikalischen Gesetze geschlossen werden. Das sind im Wesentlichen die statistischen Erkenntnisse, die man aus einem Text wie diesem schließen kann. Ich bin mir jedoch sicher, dass du diesen Text nicht als "zufällige" Anordnung von Zeichen siehst (sonst würdest du ihn nicht lesen), sondern dich gerade für den Anteil interessierst, der statistisch nicht gefasst werden kann, den Sinn dieses Textes.

Der Zufall ist ein Joker. Das deterministische Weltbild musste weichen, nachdem es in der Quantenmechanik kaum mehr Hoffnung auf "innere Parameter" gab. Der Zufall wird als "echt" akzeptiert in dem Sinne, dass man ihn nicht als mangelndes Wissen über einen noch komplexeren Determinismus versteht. Aber damit ist noch immer unklar, was dieser "Zufall" eigentlich ist.

Man nehme eine Versuchsperson und lasse sie nach Lust und Laune auf zwei Knöpfe drücken. Für den einen Knopf wird beim Drücken eine Eins geschrieben, für den anderen eine Null. Angenommen, die Person hat keine Vorliebe für einen der Knöpfe, so erhält man im Ergebnis eine "zufällige" Folge von Einsen und Nullen. Man könnte dazu auch Quanten beobachen. Auch aus diesen Beobachtungen kann man eine zufällige Folge von Einsen und Nullen konstruieren, nur die Ursache ist sehr unterschiedlich. Man kann nun sagen, der Mensch verhält sich zufällig. Man kann aber auch sagen, Quanten haben, ober besser repräsentieren (vielleicht nur mittelbar) einen Willen (einen änlichen Ansatz verfolgt z.B. der Nobelpreisträger John C. Eccles). Kein ernst zu nehmender Physiker würde an dieser Stelle streiten wollen, denn mathematisch sind beide Thesen identisch. Beide lassen sich einzeln nicht vorhersagen und beide lassen sich in der Masse statistisch gleich behandeln. Man kann nicht voraussagen, wo das einzelne Quant detektiert wird. Beobachtet man aber eine große Zahl von Quanten, erhält man für die Aufenthaltsorte eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (z.B. das Interferenzmuster am Spalt). Für immer mehr Quanten wird das mittlere Verhalten immer besser vorhersagbar. Das Gleiche beobachtet man zum Beispiel bei Wahlen, obwohl hier (hoffentlich) jeder Wähler eine Entscheidung fällt und nicht würfelt. Obwohl jeder Wähler frei wählt, kann man aus einer Stichprobe eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Wahl der Parteien ableiten, die Hochrechnung. Je mehr Wähler man berücksichtigt, desto genauer wird die Vorhersage für die Gesamtheit der Wähler, deren Verhalten man noch nicht untersucht hat. Ähnliche statistische Verfahren verwendet man auch bei repräsentativen Umfragen oder Einschaltquoten. Es spielt für die Statistik keine Rolle, ob die Wahlzettel von Wählern oder von einem Zufallsgenerator ausgefüllt werden, solange die Verteilung gleich ist. Freier Wille und Zufall sind statistisch identisch. Weltanschaulich könnten sie jedoch kaum gegensätzlicher sein.

Absolut freier Wille ist insbesondere die Abwesenheit jedes Determinismus und damit dem Zufall äquivalent. Der eigentliche Unterschied, dass freier Wille sinnvoll entscheiden kann und Zufall nicht, ist physikalisch irrelevant, da die Physik keine Aussagen über "Sinn" macht. Mt 10,29 kann also auf jedes Quant des Universums ausgedehnt werden.

Quanten, die einen "Willen" in ihrem "Verhalten" repräsentieren, mögen absurd anmuten, aber das liegt weniger in der Aussage, als in unseren Denkgewohnheiten begründet. Einstein hatte noch Probleme, sich eine vom Zufall bestimmte Welt vorzustellen und behauptete, "Gott würfelt nicht". Andere halten die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik für absurd, nur weil sie die Vorstellung, in parallelen Universen zu existieren, überfordert. Menschen stecken fest in ihren Denkgewohnheiten und wahrscheinlich sind es nur diese Denkgewohnheiten, die oft blind machen für andere Denkmöglichkeit wie die, dass diese Welt nicht vom Zufall, sondern von Gottes Willen (und zum Teil noch dem seiner Geschöpfe) bestimmt wird.

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