zu der Fragen

Die Bibel




Warum sollte man noch die Bibel lesen? Finden sich in der Bibel nicht massenhaft wissenschaftliche Fehler, ethische Missgriffe und Widersprüche? Ist sie nicht veraltet, geschrieben von naiven Menschen, die unseren hohen Maßstäben nicht mehr gerecht werden können?

Liest man die Bibel, stellt man zunächst einmal fest, dass sie eigentlich nicht ein Buch, sondern eine Sammlung vieler unterschiedlicher Bücher ist. Poesie, Prophetie, Geschichte, Aufzählungen, Ahnenreihen, Sprüche, etc. – man findet ein ganzes Sammelsurium an Schriften, nur kein einziges Buch, dass konsequent ein wissenschaftliches Lehrgebäude entfaltet. Wir finden Texte von unterschiedlichsten Menschen. Gebildete und Ungebildete, Herrscher und einfache Leute, Reiche und Arme, Künstler, vor allem aber Zeitzeugen. Die Bibel berichtet über Gott und sein Wirken in der Welt. Auf ganz unterschiedliche Weise. Aber genau darin ist sie aktuell wie zu allen Zeiten. Denn Gott ist der gleiche und auch der Mensch verändert sich letztlich kaum. Die Menschheit mag voranschreiten, aber der Mensch bleibt immer derselbe. Und an diesen Menschen ist eine Botschaft gerichtet. Gott sucht seine Menschen auf. Er gibt sie nicht auf. Und er kam sogar selbst zu uns Menschen um uns eine Perspektive zu geben, für immer bei ihm sein zu können. Jesus Christus ist das Zentrum der in der Bibel beschriebenen Geschichte Gottes mit den Menschen.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass die ersten Christen keine „Bibel“ hatten. Sie hatten eine Sammlung alttestamentlicher Schriften und freuten sich, wenn ihnen einer der Apostel einen Brief schrieb. Der Bibelkanon wurde erst viel später festgelegt, als deutlich wurde, dass man die historischen Texte von späteren Texten, abgrenzen muss. So wurde für nachfolgende Generationen eine verlässliche Informationsgrundlage für den christlichen Glauben geschaffen.

Es folgten viele Jahrhunderte, in denen sich die Kirche, durch politische Macht und materiellen Reichtum korrumpiert, mehr und mehr von dieser Grundlage entfernte. Bis schließlich die Christenheit offiziell durch eine Kirche repräsentiert wurde, die zu jener Zeit glaubte, selbst nach belieben festlegen zu können, was christlich ist und was nicht, wer in den Himmel kommt und was man dafür zahlen muss. Die biblischen Texte, die letzten Zeugen dessen, was verloren ging, wurden praktisch nur noch in Klöstern gelesen. Und von dort aus kam es deshalb auch zur Reformation. Zu deutlich waren die Unterschiede zwischen Kirche und Urgemeinde, zwischen Petrus und Papst und zwischen der Lehre Jesu und den Praktiken der Kirche. Die Bibel wurde hier ihrer Aufgabe gerecht. Aber wer gegen diese Kirche aufstand, riskierte sein Leben. Was konnte ein armer Sünder schon dem „unfehlbaren“ Papst, dem „Stellvertreter Gottes“ auf Erden entgegensetzen? Nichts anderes als die „unfehlbare“ Bibel, das „Wort Gottes“. Was für die katholische Kirche der „unfehlbare Papst“ ist, wurde für die Evangelische Kirche die „unfehlbare Bibel“. „Sola scriptura“ - „allein die Bibel“ - war einst ein mächtiges Schwert (Eph 6,17) gegen eine übermächtige korrupte Kirchenführung, die Aussagen aus der Bibel nach Belieben entstellte. Luther war nicht der Erste, der statt dem Sodom, zu dem der Vatikan verkommen war, wieder Christus selbst und seine „Frohe Botschaft“ in den Mittelpunkt der Christenheit stellen wollte. Doch er war einer der Wenigen, die lange genug lebten, um etwas zu verändern. Luther hatte in den Fürsten seiner Zeit mächtige Verbündete, die mit seiner Hilfe dem Kaiser „von Gottes Gnaden“ (eigentlich von des Papstes Gnaden) religiös etwas entgegensetzen konnten. Die Bibel wurde so auch zur politischen Waffe und musste in jedem Fall mindestens die gleiche Autorität besitzen, wie der „unfehlbare“ Papst. Spricht Gott unmittelbar durch den Papst, so musste das natürlich auch für die Bibel gelten. Versteht man aber die Bibel so, dass Gott die Bibel diktiert hat, reicht schon der kleinste wissenschaftliche Irrtum um die Bibel zu verwerfen. Im Gesamtkontext der Bibel ist diese Interpretation aber nicht plausibel. So beginnt beispielsweise der Schreiber des Lukasevangeliums:

"Da es nun schon viele unternommen haben, einen Bericht von den Ereignissen zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, hochedler Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist."

(Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 1-4)

Kein Wort von einer Stimme, die ihm diktiert, keine Einflüsterung, sondern schlicht Augenzeugenberichte von Zeitzeugen sind demnach die Grundlage dieses Textes. Der Evangelist recherchiert, sammelt, sichtet und ordnet. Und so bleibt auch der Text zunächst einmal profan: Lukas als Geschichts- und Paulus als Briefschreiber. An die Gemeinde in Korinth schreibt Paulus:

"Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr:"

(1. Brief von Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 7, Vers 12)

- deutlicher kann Paulus nicht hervorheben, dass er hier seine eigene Meinung schreibt. "Alle Schrift ist von Gott eingegeben" (2. Tim 3,16) meint also nur, dass sie in der Begegnung mit Gott ihren Ursprung hat.

Gott offenbarte sich nicht durch eine Lehre, eine Philosophie oder ein Buch, sondern durch Jesus, einem Menschen aus Fleisch und Blut. Auch hier ist die Bibel bodenständig und erdverbunden. Und genau in dieser Erdverbundenheit und Menschlichkeit liegt ihre Stärke. Sie ist kein wissenschaftliches Buch, kein göttliches Diktat, sondern schlicht Zeitzeuge der Heilsgeschichte. Wir finden in der Bibel die Berichte von Menschen, die etwas mit Gott erlebten und wir finden diese Berichte nicht anders, als sie die Menschen damals eben schreiben konnten.

"Damals redete Josua zum HERRN, an dem Tag, als der HERR die Amoriter vor den Söhnen Israel dahingab, und sagte vor den Augen Israels: Sonne, stehe still zu Gibeon, und Mond, im Tal Ajalon! Da stand die Sonne still, und der Mond blieb stehen, bis das Volk sich an seinen Feinden gerächt hatte. Ist das nicht geschrieben im Buch Jaschar? Die Sonne blieb stehen mitten am Himmel und beeilte sich nicht unterzugehen, ungefähr einen ganzen Tag lang."

(Josua, Kapitel 10, Verse 12f)

Angenommen, der Schreiber des Buches Josua berichtet einfach was er sieht, so lesen wir, dass die Sonne still stand. Vielleicht würde heute jemand schreiben, dass die Erde aufhörte sich zu drehen. Oder in hundert Jahren, dass die Schlacht in einer Zeitblase stattfand. Vielleicht hatten sie auch einfach das Gefühl, dass die Zeit still stand und ihnen kam der Kampf viel länger vor, als er „tatsächlich“ (was immer das sein soll) dauerte. Aber ändert das etwas an dem, was Gottes Volk erlebt hat?

Man kann daran zweifeln, ob und was sich damals wirklich ereignet hat. Der Text hält diese Zweifel von Menschen aus. Die Geschichte Gottes mit den Menschen stützt sich aus gutem Grund nicht nur auf einen Zeugen aus einer Epoche sondern überspannt mehr als eineinhalb Jahrtausende.

Gott arbeitet von Beginn an mit Menschen zusammen und für ihn sind Menschen nicht nur Statisten. Gott vertraute den Menschen seine Schöpfung an, seine Botschaft und sogar seinen Sohn, obwohl klar war, dass die Menschen ihn umbringen. Man mag es als Schwäche Gottes sehen, dass Gott uns immer mit einbezieht, andererseits spricht es für Gott, dass er trotzdem zum Ziel kommt. Jeder Christ ist Teil von Gottes Wort. Jeder Christ ist Stellvertreter Christi auf Erden. Trotz aller Schwäche des Einzelnen. Denn dort, wo Menschen, die Gott vertrauen, schwach sind, ist Gott umso stärker.Gott arbeitet von Beginn an mit Menschen zusammen und für ihn sind Menschen nicht nur Statisten. Gott vertraute den Menschen seine Schöpfung an, seine Botschaft und sogar seinen Sohn, obwohl klar war, dass die Menschen ihn umbringen. Man mag es als Schwäche Gottes sehen, dass Gott uns immer mit einbezieht, andererseits spricht es für Gott, dass er trotzdem zum Ziel kommt. Jeder Christ ist Teil von Gottes Wort. Jeder Christ ist Stellvertreter Christi auf Erden. Trotz aller Schwäche des Einzelnen. Denn dort, wo Menschen, die Gott vertrauen, schwach sind, ist Gott umso stärker.

"Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne."

(2. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 12, Vers 9)

Es ist nur konsequent, dass die Bibel von Menschen geschrieben wurde. Es ist nur konsequent, wenn wir auch in der Bibel die Schwachheit dieser Menschen erkennen. Aber es ist vor allem ein Zeichen für die Größe Gottes, dass uns gerade diese berichteten Erlebnisse, wie kein anderes Zeugnis, Gott in seiner ganzen Herrlichkeit zeigen und dass wir hier letztlich Wahrheit finden. Viele Missverständnisse entstehen, weil oft weder die Zeit, noch der Autor, noch dessen Absicht, noch die Situation und der Rahmen des Textes berücksichtigt werden.

Andere reduzieren die biblischen Texte auf das, was sie sich persönlich vorstellen können. Doch wenn man die Bibel wirklich ernst nimmt, kann man immer wieder erleben: Hier möchte mir Gott anhand des Textes etwas sagen – hier redet Gott mit mir. Die Stärke der Bibel liegt also nicht nur in ihrem Inhalt, sondern auch in ihrer Entstehungsgeschichte. Sie stützt sich nicht auf einen Zeugen, sondern auf viele, deren Schilderungen aus verschiedenen Perspektiven ein umfassenderes Bild der Heilsgeschichte zeichnen als die Sichtweise nur eines Einzelnen.

In der Bibel kommen über 40 Autoren aus allen gesellschaftlichen Schichten zu Wort. Diese Autoren decken einen Zeitrahmen von fast eineinhalb Jahrtausenden ab. Historische Ereignisse und Orte lassen sich rekonstruieren und zu vielen Berichten gibt es außerbiblische oder archäologische Quellen. Die biblischen Berichte können sich also auf die historischen Fakten stützen, die den damals lebenden Autoren unmittelbar zugänglich waren.

Gerade diese historische Verankerung durch Menschen, die Ereignisse, Erfahrungen und Glaubensüberzeugungen niederschrieben, macht also eine wesentliche Stärke der Bibel aus. Wie ein roter Faden zieht sich trotz aller menschlichen Verfehlungen und Irrtümer, trotz all der Verschiedenheiten der Schreiber, der Zeiten und Situationen die Geschichte eines Gottes durch die Bibel, der den Kontakt zu seinen Menschen sucht und schließlich selbst Mensch wird um uns zu retten.

Die Bibel ist dabei nicht Gott. Sie zeigt uns Gott. Sie ist kein Dogma. Sie ist eine Herausforderung. Mit all ihren Ecken und Kanten lädt sie uns mit unseren Ecken und Kanten ein zu einem Leben mit Gott.

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