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Rückantwort


Oliver am Freitag, den 09. November 2007 um 13:27:22 Uhr

Leider hast Du mich offenbar gar nicht verstanden. Ich habe nie behauptet, daß Psychotiker nicht kreativer Leistungen fähig wären. Eines von vielen Beispielen ist Hölderlin. Hölderlin hatte allerdings nicht täglich akustische und optische Halluzinationen, wie das Lorber unterstellt wird. Dann hätte die Sache schon anders ausgesehen. Besonders bei optischen Halluzinationen, die längere Zeit anhalten, muß man immer an einen Hirntumor denken, der einen ohne Behandlung nicht 24 Jahre überleben läßt. Die angeführten angeblich psychopathologischen Symptome, nämlich der stellenweise etwas exaltierte Sprachstil Lorbers, sind fürdie Diagnose einer paranoiden Schizophrenie keineswegs ausreichend. Damit läßt sich nicht einmal eine Hypomanie diagnostizieren. Mit gutem Glück könnte man allenfals auf eine histrionisch akzentuierte Persönlichkeitsstruktur tippen, was aber für Lorbers Inspirationen vollkommen irrelevant ist. Selbst wenn Porber psychotisch gewesen wäre, dann würde dies wohl kaum seine tiefen weisheitsvollen Einsichten und Menschenkenntnis erklären, ebenso wenig wie Hölderlin sein Dichtertum seiner (relativ mild ausgeprägte) Psychose zu verdanken hat.
Ich selbst bin Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, außerdem Diplom-Psychologe. Im Gegensatz zu Frau Kollegin Stettler-Schär habe ich jedoch meinen psychiatrischen Doktortitel durch die klinische Untersuchung mehrerer Patientengruppen, die real existieren und die ich vor Ort interviewt habe, erlangt und nicht durch eine Ferndiagnose in einem zeitlichen Abstand von über hundert Jahren. Das letztere hätte mein Doktorvater auch gar nicht zugelassen. Als Akademiker sollte man wissen, auf welch dubiose Weise manche Doktorarbeiten zustande kommen. Besonders bei Literaturarbeiten aus zweiter Hand sollte man vorsichtig sein! Außerdem gebe ich zu bedenken, daß der Erwerb des Doktortitels in Medizin den Facharzt nicht voraussetzt. Und bei entsprechendem Gescick und fehlendem Patienten kann man auch einem (womöglich vorurteilsbehafteten) Professor das Blaue vom Himmel herunterphilosophieren. Die "Diagnose" der Frau Kollegin läuft auf eine Diffamierung der Person Jakob Lorbers hinaus, die natürlich auch beabsichtigt ist, und erkärt inhaltlich überhaupt nichts. Vor 150 Jahren hätte sie sich womöglich, den heutigen Stand der Psychiatrie vorausgesetzt, statt eines Doktortitels eine Klage wegen Verleumdung eingehandelt. Aus gewissen stilistischen Eigenheiten Lorbers auf eine inhaltliche Leere und Redundanz seines Gesamtwerkes schließen zu wollen, ist schon mehr als unverschämt. Ich möchte einmal davon absehen, daß die weisheitsvollen Einsichten Lorbers weder von der Kollegin noch von Johanna auch nur ansatzweise erkannt werden. Das wäre wieder ein anderes Thema, über das sich zu sprechen lohnt.
Eine symphonische Dichtung von Lorber habe ich selbst einmal im Radio gehört, und abgesehen davon, daß mir sie bieder und konventionell erschien, ist mir daran nichts exaltiertes aufgefallen. Möglicherweise war der Zeitgeschmack damals ein anderer. Aber wenn es nach Frau Kollegin Stetter-Schär ginge, müßte ich offenbar jeden "12-Töner" in die Psychiatrie einweisen. Ein starkes Stück!
Um meine ursprüngliche Aussage noch einmal zusammenzufassen: Hätte es sich bei den Inspirationen Lorbers tatsächlich um akustische und optische Halluzinationen gehandelt, und dies über 24 Jahre, dann wäre seine Psychose so stark ausgeprägt gewesen, daß sie nicht hätte kompensiert werden können. Welcher Kollege möchte mir das widerlegen? Hinzu kommt, daß die Erstmanifestation einer paranoiden Psychose im Alter von 40 Jahren sehr ungewöhnlich ist(Durchschnittsalter bei Männern: 20 bis 25 Jahre) und man in diesem Alter an etwas organisches denken muß. Aber das nur nebenbei bemerkt.









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